Maria Ratschitz, Südafrika, November 2005

Hallo Familie, Verwandte, Freunde, Freundin, etc…

 

Zuerst mal, ich bin wie gesagt gut angekommen und es geht mir gut. Das Wetter ist zumeist schön (20 Grad in der Nacht und um die 34 Grad am Tag). Von meiner Unterkunft bin ich sehr überrascht, da sie sehr schön ist, zwar etwas spartanisch aber alles wichtige ist da. So habe ich mein Bett, eigene Toilette und Dusche, sowie einen Kühlschrank, der bei augenblicklichen Temperaturen überlebenswichtig ist. Im Augenblick ist es ein bisschen kälter und es stürmt (endlich) aber ab morgen oder übermorgen geht die Temperatur wieder rauf.

 

Ich bin hier in einer ganz anderen Welt angekommen, wie ich es mir nicht hätte vorstellen können. Natürlich kenne ich Afrika von diversen Besuchen, aber immer nur die positiven Seiten des Landes. Wie shoppen in Cape Town, Jagen mit Vater oder Fahrten durch National Parks;  aber ich kannte bis jetzt kein Afrika in dem über 60% der 14-24 jährigen AIDS haben, in dem Menschen sterben wie die Fliegen und Kinder-Vergewaltigungen zum Alltag gehören. Man hört zwar ab und an etwas davon im deutschen Fernsehen aber (wie ich selbst) schaltet man dann doch gerne um. Ich habe jetzt hier die Gelegenheit mal acht Monate nicht umzuschalten und zu sehen: „Impelo!“

 

Ich lebe hier in einer Mission der Mallersdorfer Schwestern (engl. Nardini Sisters). Die Schwestern sind ausgesprochen nett und die Befürchtungen von verrückten Missionarinnen hat sich nicht bewahrheitet. Das Essen hier ist auch sehr gut und reichlich (wir haben eine Küchenschwester aus der Oberpfalz J).

Die Mission beinhaltet noch ein paar Häuser wo die  Angestellten untergebracht sind, ein Noviziat, eine schöne, große Kirche, das Schwestern Haus und natürlich das Hospiz. Die ganze Mission liegt „in the middle of nowhere“, aber so was von NOWEHRE. Die nächste Stadt ist 45 Kilometer weg, die nächste Einkaufsmöglichkeit 20. Die ersten 15 Kilometer aus der Mission raus sind natürlich ungeteert.

 

Arbeit gibt es hier genug, vom Holzhacken bis zur Krankenpflege helfe ich überall. Meist jedoch bin ich im Hospiz wo ich bei der Krankenpflege helfe und beim füttern, als auch viel über den Umgang mit sterbenden Menschen lerne. Viele der Patienten sind natürlich HIV bedingt sehr krank und manche sind nicht in der Lage zu essen oder sich zu bewegen. Diese Arbeit zählt, für mich unerwartet, zu den eher angenehmen und auch nicht weiter schlimmen Aufgaben. Es ist halt unangenehm wenn mal wieder ein Patient stirbt und ich beim tragen helfen muss, vom Bett die Rundtreppe runter und in dann in eine „Kiste werfen“. Danach wird Kaffee getrunken. Dies ist jetzt keine unangebracht Wortwahl, sondern die Realität. Viele Patienten werden hier nicht wie in Deutschland schön beerdigt, sondern in eine billige Kiste geworfen und weggefahren. Es ist bei den Zulus nicht üblich das in der Öffentlichkeit Trauer gezeigt wird. Dies war eine (der vielen) neue Erfahrung für mich, an die ich mich bis jetzt nicht gewöhnt habe, da sie natürlich nach europ. Auffassung unwürdig und fremd ist...

 

Wirklich schlimme Anblicke habe ich jedoch immer montags und mittwochs wenn ich mit Sr. Irmingard (ausgebildete Ärztin) hinausfahre und wir Food-parcel verteilen und die Schwester nach einigen Patienten schaut. Das Schlimme ist daran auch nicht wie die Patienten aussehen, daran habe ich mich schnell gewöhnt, sondern die Hintergründe die man erfährt.

Einige Beispiele:

Eine Frau hat von einer toten Kuh (an einer Krankheit verstorben) ein Stück herausgeschnitten und dieses in Streifen aufgehängt um Biltong (eine Art Dörrfleisch) zu machen, weil sie sonst nichts zu essen hat und ihre erwachsenen Kinder sie verlassen haben und nur noch ein Sohn (14) da ist, der weder die Schule besucht, noch sonst irgendetwas macht. Was heißt er bekommt keine Arbeit (zu jung) und sie kein Kindergeld.

Zumindest hat das Fleisch so schlimm gerochen, das ich nicht hineingehen konnte. Die Frau ist schwer krank und vielleicht ist es das Beste wenn sie an dem vergiftetem Fleisch stirbt. Entschuldigt diese Aussage, aber ihr habt die Frau weder gesehen, noch das Fleisch gerochen...

Allerdings habe ich einen großen Einblick in die Fauna und Flora bekommen, da ich noch „Nie“ so viele Insekten und Schimmel wie an diesem Fleisch gesehen habe. Sowohl Anzahl, als auch Arten.

 

In einer Familie ist der Mann gestorben (HIV) und die Oma kümmert sich nun um 7 Kinder. Der Mann war, wie es oft der Fall ist, das einzige Einkommen. Unter den Kindern ist ein 4 Wochen altes Baby. Diese Familie hat nun kein Geld mehr sich etwas zu essen zu kaufen, geschweige denn Milch für das Kind. Da es, wenn es durch die Brust gestillt wird, auch HIV bekommt. Jetzt bekommt diese Familie Nahrung. Das bisschen Geld das sie haben, soll für Babynahrung aufgehoben werden, was natürlich nicht gemacht wird. Wie es weiter geht kann man sich ja denken...

 

Ein Patient ist HIV positiv und an Tb erkrankt. Er hat am ganzen Körper Geschwüre, vor allem aber am Afterausgang. Was natürlich höllische Schmerzen sein müssen. Der Gestank lässt sich nicht beschreiben und ich könnte es auch gar nicht. Jedenfalls bin ich daneben gestanden, als das Ganze „aufgeplatzt“ und „ausgelaufen“ ist. Ich werde nicht weiter auf dieses Thema eingehen...

 

 

Dies waren die eher soften Fälle, zu kämpfen habe ich mit diesen:

 

„Raping a six month to ged rip of AIDS”. In den Krankenhäusern werden oft Babys mit schweren Genitalverletzungen eingeliefert, den bei dielen Männern herrscht der Glaube dass man das Virus los wird, wenn man mit etwas reinem Sex hat und was ist reiner als ein 6 Monate altes Baby. Was das Ganze noch schlimmer macht, ist die Tatsache, das es nicht wirklich strafrechtlich verfolgt wird. Es ist zwar nicht akzeptiert, wird aber gerne übersehen. Falls es doch mal zu einer Anzeige kommt, wird diese zumeist fallengelassen, da der Mann selber so arm dran ist.

 

„Sugerdaddys“ sind alte Männer, die junge Frauen für ihre „Dienste“ bezahlen. Das ist soweit noch nicht so schlimm, jedoch haben die jungen Mädchen meist mehrere Suggerdaddys. Einen der das Telefon finanziert, einen der die Frisur bezahlt, einen der das Essen bezahlt, ... Wenn nun einer AIDS hat haben alle AIDS. Die Frau steckt sich bei einem an und gibt den Virus dann weiter. „Suggerdaddys“ haben auch oft mehr als ein Mädchen. „Sex sels“, aber zum essen haben sie trotzdem nichts und verhungern!!!

Es gibt auch “Sugermummys“, was noch schlimmer ist, da ein junger Zulumann immer mehrere Frauen hat und er jetzt alle seine jungen Frauen ansteckt.

Die Polygamie ist hier sehr verbreitet, sie war Teil der alten Zulu Tradition, aber ist heute mehr oder weniger eine Ausrede um den König und Macho zu spielen. Ein „Starker Zulumann“ will natürlich mehrere Frauen. Durch diese Situation schafft man es natürlich nie dem Virus Herr zu werden.

Es stößt übrigens immer sehr auf  Unverständnis, das ich nicht mehrere Geliebte habe und sage mir reicht eine Frau in Deutschland und ich brauche nicht noch eine in SA. 

 

 

Was  das Leben hier trotzdem schön macht, sind die kleinen Dinge. So habe ich ein Chamäleon auf der Strasse gefunden (hat noch mal Glück gehabt, hätte es fast nicht mehr geschafft zu bremsen). Edgar ist dann auch den ganzen Tag auf mir rumspaziert und sitzt noch heute auf dem Baum vor meinem Haus. Allerdings hatten alle Zulus Angst vor ihm. Hier herrscht im Bezug auf Tiere ungefähr die gleiche Mythologie wie bei den Aborigines und den Indianern. So sollte das Chamäleon, von Gott beauftragt, die Unsterblichkeit verkünden. Weil es aber so langsam war kam es nicht an und die Menschen fingen an zu sterben. Heute wenn ein Chamäleon zu einem Menschen kommt, bedeutet das das er sterben wird. C’est la vie...

Die ganze Natur ist hier sehr spannend, so sehe ich viele andere Reptilien und Vögel, die ich nur von Bildern kannte, endlich mal real.

Viele Dinge die ich zu Hause als selbstverständlich angesehen habe, lerne ich hier erst richtig zu schätzen. So wie fließend warm und kalt Wasser oder Strom (der Rundbrief wäre eine Woche früher angekommen, wenn kein Stromausfall dazwischengekommen wäre). Oder aber das deutsche Gesundheitssystem...

 

Auf jeden Fall bekomme ich täglich neue Einblicke (schöne wie schlimme), verbessere mein Englisch ungemein und fange an Zulu zu lernen.

 

In den nächsten Briefen bekommt ihr dann etwas mehr facts zu Kultur und Tradition der Zulus und dem Virus...

 

lg Bernhard

P.S.:

Danke noch mal an Wolfgang für den Beistand (sowohl geistlich als auch persönlich)

Richard, ein Freund zum reden geht mir hier fast am meisten ab

Stefan, oder ein Bier mit dir und Michael in der Katakombe J (Sag bitte am Etzai und den Semis schöne Grüsse und der Mico soll mir seine Fragen per Brief schicken)

Niki, würd alles für einen CL Spiel mit dir geben

Tobi und Thomas, weiß die Gemütlichkeit bei euch zu Hause erst jetzt richtig zu schätzen

Sr. Menigma, für die tolle Vermittlung, sonst wär ich sonst wo gelandet,

Anna, hoffe dir geht's gut und du meldest dich mal

Hannah, dich vermisse ich hier am meisten...