Hallo alle zusammen, |
hier nun mein zweiter Rundbrief aus dem sonnigen Afrika. Bei uns bricht gerade
die heißeste Jahreszeit an und ich muss gerade einen schlimmen Sonnenbrand
überstehen. Bin am ganzen Rücken voll von Blasen, ist nicht schön.
Mir geht es soweit wieder ganz gut, da ich einen kleinen Durchhänger hatte.
Schoen langsam macht sich nämlich doch die Einsamkeit bemerkbar. All das hier
wäre viel leichter wenn man jemanden zum reden hätte. Es ist einfach so das ich
meinen Frust schlecht loswerden kann (Ausnahme natürlich mein geistlicher
Begleiter Wolfgang, aber Telefon ist nun mal nicht das selbe) und sich doch
vieles ansammelt. Die Schwestern sind auch nicht wirklich in der Lage mir zu
helfen, oder ich mit ihnen zu reden, da sie doch nach 40 Jahren Afrika
abgehärtet sind und meine Probleme nicht wirklich verstehen würden und ein
Altersunterschied von 35-50 Jahren macht es auch nicht leichter. Außerdem fehlt
mir mehr ein guter Freund zum reden und nicht ein "Gesprächspartner". Nicht
falsch verstehen, ich komme mit den Schwestern immer noch sehr gut aus.
Ich hoffe das ist einigermaßen verständlich rübergekommen, da es mir nicht ganz
so leicht fällt das alles zu formulieren. Mein Kopf ist einfach zu voll.
Wer jetzt nur weitere schlimme, traurige oder grausame Geschichten in diesem
Brief erwartet, den muss ich enttäuschen... ich denke nicht das das Sinn der
Sache ist nur davon zu berichten, da ich auch sehr häufig gefragt wurde wie es
mir geht.
Also:
Es geht mir wie gesagt gut und ich habe zu kämpfen aber es läuft. Es ist nicht
so einfach sterbende Menschen zu begleiten, wie viele von euch wissen, die einen
geliebten Menschen verloren haben. Natürlich verliere ich hier keine geliebten
Menschen aber man muss immer daran denken das es Menschen sind wie du und ich,
auch wenn sie sich nicht bewegen können, kein Wort sprechen oder einfach nur
daliegen und unfreundlich sind. Es sind alles Gottes Geschöpfe. Ich will hier
nicht theologisch werden, ich will nur erklären wie schwer es ist das manchmal
zu sehen oder sich klar zu machen. Wer weiß, jeder von uns könnte einer dieser
Menschen sein die dort in den Betten vor sich hinvegetieren und mit all diesen
Problemen in diesem Land und der Kultur und Erziehung, ich weiß nicht wie ich
leben würde wenn ich in diesem Land aufgewachsen wäre. Vielleicht hätte ich den
Sprung geschafft, raus aus der Armut in ein "normales" Leben. Aber andererseits
vielleicht wäre ich auch einer dieser Menschen die mit dreizehn HIV haben, da
ich den Weg gehe den (fast) alle gehen. Was bleibt einen schon übrig wenn man
nichts hat, und ich meine NICHTS? Nicht das ein Fernseher fehlt oder ein Auto,
nein, nichts. Kein Haus, kein Essen, keine richtige Kleidung. Nichts!!! Manchmal
sogar keine Eltern oder Verwandten.
Und diejenigen die etwas haben, werden von den anderen runter gezogen. So ist es
zum Beispiel schwer für einen jungen Mann der versucht sich etwas aufzubauen
daraus Profit zu schlagen, da, sobald er etwas Geld verdient, viele Menschen da
sind die ihn runterziehen, da sie am Profit teilhaben wollen. Wie z.B. ein
Vater, der plötzlich auftaucht, obwohl er sich 20 Jahre nicht blicken lassen hat
und eine Mutter, die ihr Kind auf der Strasse ausgesetzt hat um nicht mehr für
es sorgen zu müssen.
Um dies zu verdeutlichen ein kleiner Joke: Ein Schwarzer sitzt am Meer und fängt
Hummer. Die Gefangenen steckt er in einen Eimer. Als ein Tourist vorbeikommt und
sieht das ein paar Hummer am Rand des Eimers sind sagt er zu dem Fischer: “Du
musst einen Deckel auf den Eimer machen, da dir sonst die Hummer davon laufen!“
Der Angler antwortet: “Du bist ein Tourist, oder?“ “Ja, warum?“ “Schau, das sind
südafrikanische Hummer; sobald einer oben ist, sind dort mindestens drei die ihn
wieder herunterziehen!“
Aber zurück zur Armut; ist es nicht verständlich das man wenigsten ein bisschen
Spaß haben will? Und wenn man nichts hat, kann Sex manchmal die einzige
Unterhaltung sein, die man hat. Das viele Leute hier nicht an die Folgen denken
ist ein anderes Thema. Z.B.: Wir waren in einem Haus, vielleicht zwei auf vier
Meter. In diesem Haus leben Zwei Eltern (Arbeitslos) und ihre drei Kinder (sechs
und vier Jahre und ein zwei Wochen altes Baby), zwei Kinder sind vorher schon
mal gestorben. Diese Menschen leben dort nicht nur, sie kochen dort, essen dort,
schlafen dort und natuerlich haben die Eltern dort auch Sex. Was kann man von
den Kindern also erwarten? Natürlich halten sie es für normal was die Eltern
dort machen. Zumindest wurde der sechs jährige Sohn von der Schule verwiesen
weil er Sex imitiert hat. Der vierjährige Sohn ist unterernährt und hat schon
die ersten Anzeichen (Haarausfall und Wasserbauch). Das zwei Wochen alte Kind
ist soweit ok. Aber es wird mit der Brust gefüttert, da kein Geld für Nahrung
vorhanden ist was heißt auch es wird an HIV erkranken, falls es noch nicht ist
und an AIDS sterben... So what can you do?
Die Schwester versucht Geld zu organisieren um eine zweite Hütte zu bauen, was
aber das Problem nicht wirklich löst.
Anderes Beispiel: Eine Mutter hat mit einer der Schwestern geredet, das sie
kleine Kondome braucht. Als die Schwester gefragt hat wofür, hat die Frau gesagt
sie hat zwei Kinder. Ein acht Monate altes female Baby und einen fünf Jahre
alten Sohn und sie kann die Kinder nicht alleine lassen, weil der Sohn dann
versucht seine Schwester zu vergewaltigen. Ich hoffe das Problem ist klar: Das
Problem der Mutter ist nicht das der Sohn versucht seine Schwester zu
vergewaltigen, sondern die Angst er könnte seine Schwester irgendwie
anstecken....
Ich will mit diesen zwei Geschichten klar machen, das es manchmal nicht das
Schlimme ist was man sieht, sondern wenn man den Hintergrund erfährt. Es gibt
manche die gesagt haben ich hätte mein "soziales Jahr" in Deutschland machen
können, aber es ist eben nicht das selbe, da man nicht jeden Tag damit
konfrontiert ist und wir in einem guten, aufgeklärtem Sozialstaat leben, wo die
Probleme andere sind und einfacher. In Deutschland kann man den Menschen sagen
wie sie zu leben haben, bzw. wie sie sollten, aber versucht das mal einem
stolzen Zulu Mann zu erklären...
Auf die häufig gestellte Frage wie ich mit all dem Umgehe: Ich muss! Hab ich
eine Wahl? Ich habe mir gesagt ich muss etwas ändern, weil es sonst keiner tut,
ich muss es versuchen. Und so lange ich Abends ruhig schlafen kann, ist alles
noch in Ordnung. Es ist schwer das jetzt zu schreiben wie ich damit umgehe und
wie ich mich fühle, weil ich es selber nicht genau weiß und mich nicht wirklich
ausdrücken kann.
Dass man natürlich mit der Zeit feststellt, dass die Arbeit völlig sinnlos
erscheint, die hier betrieben wird, da der Mensch sich nicht ändert und ich
anfange nicht mehr an das Gute im Menschen zu glauben, macht es nicht einfacher.
"Homo Hominin Lupus Est" (Bei Verständnisproblemen meine kleine Schwester um
Übersetzung bitten J). Dieser Satz trifft es einfach auf den Punkt.
So what can you do…?
Wie man sieht kann ich hier auch wieder Seiten über Seiten schreiben, aber das
soll mal reichen und irgendwie würde es sonst auch kein Ende nehmen.
Man kann mir übrigens mittlerweile e-Mails schreiben.
Und da ich viele neue Adressen im Verteiler habe hier noch mal meine
südafrikanische Adresse:
Bernhard Spies Maria Ratschitz Mission P.O. Box 194 Wasbank 2920 Republic of South Africa |
LG
Bernhard
P.S.: Noch eine kleine Geschichte für die Adventszeit:
Eine Frau hat sich ein Stück Kuhleber in die Vagina gesteckt, damit das Virus
erst die Leber frisst und dann sie, eigentlich ja ein schöner Glaube und endlich
mal einer der keinem schadet...